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Curved-Leinwand: Cooler Effekt oder großes Problem?

Gekrümmte Breitbild-CinemaScope-Leinwände sind wunderschön. Sie vermitteln zusätzliches Kino-Feeling und sehen einfach cool aus. Warum eine sogenannte Curved-Leinwand im Heimkino aber gar keine gute Idee ist, das erfährst du hier.

Curved-Leinwand im Retro-Heimkino "Saal 3"
Retro-Heimkino „Saal 3“ mit Curved-Leinwand

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Warum eine Curved-Leinwand einsetzen?

Was genau heißt jetzt „Curved-Leinwand“? Das bedeutet, die Leinwand ist kreisförmig gekrümmt, ähnlich den bekannten Curved-TVs. Das war auch einmal in echten Kinos in Mode, in der „guten alten Zeit“ des CinemaScope, Cinerama und anderen Breitbild-Formaten.

CinemaScope-Werbeanzeige von 20th Century Fox, 1953

Das Bild soll einen also mehr umhüllen, immersiver sein, in den Film hinein ziehen etc. Insbesondere für Retro-Fans also ein tolle Sache. Auch ich habe in meinem Retro-Heimkino „Saal 3“ eine Curved-Leinwand. Das Bild wirkt dadurch plastischer, analoger als eine „normale“ flache Projektion.

Curved-Leinwand aus einer seitlichen Perspektive
Eigenbau Curved-Leinwand im „Saal 3“

Der Kreisradius der Leinwand, die ich selbst gebaut habe, entspricht dem doppelten Sitzabstand, also der doppelten Bildbreite. Das ist viel schwächer gekrümmt als in alten Kinos, aber durchaus sichtbar. Oder anders ausgedrückt: die Leinwand kommt ca. 4 % nach vorne, bezogen auf die Bildbreite.

Warum ist eine Curved-Leinwand keine gute Idee?

Es gibt mehrere Gründe, warum eine Curved-Leinwand die Einrichtung deines Heimkinos um einiges schwieriger macht. Ich gehe zuerst auf die rein praktischen Aspekte ein und nähere mich dann den qualitativen Problemen.

Wesentlich weniger Auswahl bei Leinwänden

Das fängt bei spärlichen Auswahl der Leinwände an. Curved Rollo- oder Motorleinwände existieren prinzipbedingt gar nicht. (Die unfreiwilligen Krümmungen günstiger Rolloleinwände lassen wir an dieser Stelle mal außen vor.)

Es bleiben also nur Rahmenleinwände – was ja für ein ernsthaftes Heimkino zunächst ohnehin zu begrüßen ist. Jedoch ist auch hier die Auswahl stark eingeschränkt: Viele bekannte Hersteller haben gar keine Curved-Leinwände im Angebot und fallen deshalb komplett raus.

Eine Curved-Leinwand selbst zu bauen ist ungleich schwerer

Beim Selbstbau einer Leinwand bekommst du zusätzliche Probleme. Zunächst ist die Konstruktion des Rahmens eine kleine Herausforderung. Interessant wird es aber spätestens beim Bespannen: du darfst dabei nämlich den Stoff nur von oben und unten spannen. Wenn du an den Seiten ziehst, kommt sofort die Mitte nach vorne.

Die gesamte Konstruktion ist also von vorneherein viel fragiler. Das musst du unbedingt vorher bedenken – zumal der Eigenbau einer Leinwand ohnehin schon eine Gratwanderung zwischen Kosten und Qualität ist.

Fun Fact am Rande: Es gibt sogar Eigenbau-Konstruktionen, bei denen permanent mittels Absaugung ein Unterdruck hinter der Leinwand erzeugt wird.

Ungleichmäßige Bildschärfe

Die oft befürchtete Unschärfe in den Randbereichen des Bilds ist erstaunlicherweise kein so großes Problem. Wenn ich den Beamer in der Mitte fokussiere, ist auch der Rand noch scharf. Theoretisch müsste man da ja etwas näher fokussieren. Aber zumindest in meinem Heimkino reicht der Schärfebereich locker aus.

Älteres Netflix-Logo mit "curved" Schriftzug
Auch das Netflix-Logo zeigt die berühmt-berüchtigte Krümmung bzw. Verzeichnung. Quelle: Wikipedia

Das Hauptproblem: Kissenverzeichnung

Mit all diesen Problemen kann man noch irgendwie leben, wäre da nicht das eigentliche Problem einer Curved-Leinwand: Die berüchtigte Verzeichnung! – Umgangssprachlich besser bekannt als Verzerrung, aber korrekterweise spricht man von Verzeichnung. Die nach innen gewölbte Kissenverzeichnung wird im Englischen pincushion distorsion genannt.

Gegenüber einer flachen Leinwand wirkt das Bild bei einer Curved-Leinwand am Rand zunächst größer als in der Mitte. Weil die Optik eines jeden Beamers aber für flache Projektionsflächen gedacht ist, die Ränder einer Curved-Leinwand aber im Vergleich zur Bildmitte näher an den Beamer herankommen, wird das Bild dort kleiner.

Curved-Leinwand mit nicht ganz ausfüllendem Bild
Bild auf die Leinwandmitte angepasst

Wenn ich den Beamer in der Mitte passend einstelle, fehlen am Rand ein paar Zentimeter oben und unten – in meinem Fall bei 340 cm Leinwandbreite sind das ca. 5 cm.

Curved-Leinwand mit in der Mitte überzogenem Bild
Bild auf die Leinwandränder angepasst

Oder das Bild ist in der Mitte zu groß, es landet im schwarzen Rahmen. Beides sieht nicht besonders schick aus und muss daher irgendwie anders gelöst werden.

Übrigens: Der Unterschied ist größer, je näher sich der Beamer an der Leinwand befindet, weil dann die relative Abstandsänderung vom Rand zur Mitte hin größer ausfällt. Mit einer möglichst langen Projektionsdistanz könntest du also Glück haben – aber wer hat schon einen mehr als 10 m langen Raum?

Lösungen für die Kissenverzeichnung bei Einsatz einer Curved-Leinwand

Wie lösen wir dieses Dilemma also? Prinzipiell beseitigt man eine Verzeichnung, indem man ihr eine entgegengesetzte Verzeichnung entgegensetzt. Aber mal der Reihe nach. Betrachten wir zunächst drei grundsätzliche Möglichkeiten – mit gravierenden Unterschieden im Ergebnis.

Curved-Leinwand mit angepasstem Rand
Verzeichnung Lösung 1: Den Leinwandrahmen begradigen

1. Leinwand anpassen

Du kannst den schwarzen Rand deiner Leinwand anpassen, so dass sie in der Mitte etwas höher wird. Das geht selbstverständlich nur bei einer selbstgebauten Leinwand.

Dabei wird allerdings auch der gewünschte Curved-Effekt wieder stark vermindert. Und genau genommen sieht es auch irgendwie seltsam aus.

2. Über den Rand projizieren

Wie oben schon angedeutet kannst du in der Mitte mehrere Zentimeter über den Rand hinaus projizieren. Das ist immer noch besser, als in den Randbereichen dunkelgraue Ecken zu bekommen.

Voraussetzung dafür ist aber, dass der Leinwandrahmen mit einer extrem schwarzen velour-ähnlichen Beschichtung versehen ist. Dennoch: schön sieht anders aus – und Verzerrungen wirst du spätestens bei Untertiteln sehen können.

Curved-Leinwand mit in der Mitte überzogenem Bild
Verzeichnung Lösung 2: Über den Leinwandrahmen hinaus projizieren
Curved-Leinwand mit optisch oder digital angepasstem Bild
Verzeichnung Lösung 3: Das Bild vorverzerren

3. Das Bild passend krümmen

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: es kann nur eine richtige Lösung geben – jedenfalls aus qualitativen Gesichtspunkten. Das Bild muss passend vorgekrümmt werden, damit es genau auf die Curved-Leinwand passt.

Dafür kommen zwei Wege in Frage:

  1. optisch mittels einer passenden Vorsatzlinse vor dem Beamer
  2. digital in der Bildvorberechnung

Befassen wir uns mit der konsequentesten Lösung Nummer 3 im Folgenden einmal näher.

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Anamorphot: löst Probleme und schafft neue

Auf optischem Wege kann ein Anamorphot die gewünschte Krümmung bringen. Das ist eine Strecklinse vor dem Projektor, die aus dem 16:9-Format ein echtes 2,4:1-Bild macht.

Viele Anamorphoten haben als Nebeneffekt eine Kissenverzeichnung – welch ein Glück. Dazu muss im Zuspieler oder Beamer das Bild in die Höhe gezerrt werden, was in Heimkino-Geräten aber meistens möglich ist. Der durch einen Anamorphoten oft erhoffte Lichtgewinn durch die Nutzung des vollen Beamer-Panels wird durch die Verluste der Optik bei den meisten Anamorphoten aber wieder zunichte gemacht.

Anamorphot vor einer Beamer-Linse
Anamorphot von Panamorph Foto: Markus v. H.

Ein Schärfegewinn durch einen Anamorphoten ist bei 4k nicht mehr zu erwarten. Gute, „4k-fähige“ Anamorphoten sind teuer, schnell so teuer wie ein guter Beamer – also mehrere tausend Euro. Dass das gewünschte Stauchungsverhältnis und die Verzeichnung von Beamer, Anamorphot und Leinwand haargenau zusammenpassen, ist nahezu ausgeschlossen. Auch hier geht es also nicht ohne Kompromisse. Meist bleibt das Bild ein ganz kleines bisschen verzerrt.

Im übrigen sprechen wir hier von einem recht umständlichen Gebrauchtkauf, da neue Highend-Anamorphoten diese Verzeichnung (die ja eigentlich ein Fehler ist) gar nicht mehr haben. Ein Anamorphot, wenn richtig eingesetzt, ist also eine coole Sache, aber auch ganz klar ein kostspieliges Abenteuer für sich.

Digitale Vorverzerrung durch Vorschaltgeräte

Es bleiben also noch digitale Korrekturen. Es gibt ein Vorschaltgerät was die gewünschte Korrektur in 4k erledigen kann, die Geobox UD101. Diese kostet rund 3.000 €, also genau wie ein Anamorphot schnell mal so viel wie der Beamer. Ob 4k dann noch mit allen HDR-Sperenzchen funktioniert und zukunftssicher ist, darf gerne bezweifelt werden.

MadVR und Lumagen, die beiden bekanntesten und beliebtesten Bildprozessoren, ermöglichen bisher leider keine Kissenverzerrung. Es ist also auch nicht möglich, das Problem im Rahmen einer ohnehin gewünschten Bildverbesserung zu lösen.

So bleibt zuletzt nur der Beamer selbst. Das wäre ohnehin einfacher und günstiger, wenn der die erforderliche Korrektur eingebaut hat.

Ich nutze die digitale Verzeichniskorrektur bisher bei meinem alten JVC DLA-X35. Erst hatte ich Angst, dass dadurch das Bild sichtbar an Auflösung einbüßen würde, da hier ja Pixel hin und her verschoben und interpoliert werden. Aber in diversen Auflösungstestbildern, Filmszenen und Standbildern konnte ich keinen visuellen Schärfeunterschied feststellen. Sprich: die digitale Korrektur ist eine super Lösung dafür.

Geeignete Beamer mit Verzeichnungskorrektur

Bei der Fülle an Einstellungen, die so manches Gerät bietet, sollte da doch etwas zu finden sein, oder? Schauen wir uns das Angebot der typischen Dunkelraum-Heimkino-Beamer einmal genauer an. Wir bleiben dabei in der Neupreis-Klasse 2.000–10.000 €.

Sony

Die Heimkino-Beamer von Sony haben keine Verzeichnungskorrektur. Schade!

JVC

Alle alten JVC-DLA FullHD-Geräte ohne Pixelshift haben die Korrekturmöglichkeit eingebaut. Nur leider bieten die etwas neueren Pixelshift-Geräte (zum Beispiel der DLA-X7900) dieses Feature nicht mehr.

Die nativ-4k N-Baureihe hatte zunächst eine Kissenverzeichnungskorrektur. Bis das Firmware-Update mit Frame Adapt HDR kam. Ohne Frage ein super HDR-Feature – aber mit diesem Update flog die Kissenverzeichnungskorrektur wieder raus. Vermutlich überfordert beides gleichzeitig die Rechenleistung. Traurigerweise kann man bei JVC-Beamern auch keine ältere FW aufspielen.

Und um das ganze abzurunden: In den JVC-Bedienungsanleitungen steht das Feature immer noch drin, obwohl es seit dem Update raus ist – auch bei ganz neuen Geräten, die dieses Feature nie hatten. Ärgerlich!

Epson

Epson LS12000 Beamer
Epson LS12000 Foto: Epson

Tatsächlich, das neueste und für die meisten Heimkinobetreiber wohl interessanteste Gerät von Epson, der LS12000, hat diese Funktion. Hier kann das Bild sogar in vielen Einzelpunkten korrigiert werden. Deutlich besser als bei den alten JVC-Geräten.

Leider unterstützt der sehr helle LS12000 kein 3D mehr und besitzt nur einen mäßigen Schwarzwert, was ihn eher für Wohnzimmerkinos prädestiniert.

Es gibt Hoffnung: Laser-TVs machen es vor

Bei Ultrakurzdistanz-Beamern – umgangssprachlich gerne „Laser-TVs“ genannt – gehört eine Mehrpunkt-Geometriekorrektur zunehmend zum Standard. Damit werden krumme Wände ausgeglichen, die physikalisch bedingt bei dieser Projektionsart stärker ins Gewicht fallen.

Es besteht also Hoffnung, dass dieses Feature in Zukunft auch wieder bei Langdistanz-Projektoren eingebaut wird.

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Wer traut sich?

Traust du dich trotzdem an eine verfluchte Curved-Leinwand heran? Oder stimmst du mir zu, dass es keine gute Idee ist? Hast du eine andere Lösung gefunden? Schreib es in die Kommentare.

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